Warum reden, wenn auch streiten geht?            IMPRESSUM

Kommunikation, aus dem Lateinischen „comunicare“, steht für Verständigung, Mitteilung. Es gibt verschiedene Arten von Kommunikation: die gängige, interpersonelle Kommunikation findet zwischen verschiedenen  Gesprächspartnern statt und verläuft - im Regelfall - in zwei Richtungen. Die intrapersonelle Kommunikation ist eigentlich eher eine Informationsaufnahme, z.B. von Umweltreizen, und ist somit meist einseitig. Dabei fällt auf: Kommunikation muss nicht unbedingt über Sprache erfolgen, schon allein weil Tiere so etwas wie einer Sprache im humanen Verständnis nicht mächtig sind,  aber  ohne  Zweifel auch miteinander kommunizieren. Schließlich gibt es noch die Medienkommunikation, die sich mit dem Informationsaustausch über technische Hilfsmittel wie Massenmedien, aber auch Telefon und Internet, beschäftigt.

Wenden wir uns nun der Art von Kommunikation zu, über die wir uns täglich in der Gesellschaft verständlich machen, der interpersonellen Kommunikation also. Es ist klar, dass das Kommunikationsmittel, der Code, also meist die Sprache, aber durchaus auch nebensprachliche Mittel wie bestimmte Laute (sogenannte paraverbale  Mittel) oder Gestik (periverbale Mittel) den beiden/mehreren Kommunikatoren  gemeinsam und bekannt sein sollten, da sonst leicht Missverständnisse mit zuweilen bösen Folgen auftreten können. Während Eskimos ihre Nasenspitzen zum Gruß aneinander reiben, wäre das in unserer Kultur eher unüblich. Und sollten Sie als Mann versuchen, einer fremden Dame in arabischen Gefilden impulsiv die Hand entgegenstrecken um sich ihr vorzustellen, könnte Sie das im glücklichsten Falle als unhöflich erscheinen lassen.

Ist dadurch jedoch der Umkehrschluss erlaubt, dass bei Übereinstimmung der Codes (Sprache, Gestik) eine reibungslose Verständigung gewährleistet ist? Keineswegs. Es ist in der Kommunikationspsychologie eine bekannte Tatsache, dass die Wahrscheinlichkeit immer größer ist, sich zu missverstehen, als sich zu verstehen. Und natürlich steigt die "Missverständigungswahrscheinlichkeit" mit der Relevanz, welche das besprochene Thema für den einzelnen Gesprächsteilnehmer hat, da die Argumente für die eigenen Position mit dieser Bedeutung sich eben auch mehren, was die Möglichkeiten, Fehler zu machen, und damit missverstanden zu werden, entsprechend erhöht.

Wie können wir uns das bildlich vorstellen? Nun, nehmen wir einmal an, die Möglichkeiten der sprachlichen Reaktion der Gesprächspartner (der Einfachheit halber beschränken wir uns hier auf zwei) entsprächen den Zinken eines Kammes. Je wortgewandter der Gesprächspartner, desto breiter der Kamm. Weibliche Kämme dürften also breiter und länger sein, und wahrscheinlich sind es eher Bürsten. Jedem Zinken des einen Kammes entspricht genau ein Zinken des anderen am besten. Unsere beiden Kämme nun seien einander gegenüberstellt, und der erste Kamm (abwechselnd in der Rolle des Senders und des Empfängers) zücke einen Zinken. Da gibt es am anderen Kamm ja den einen am besten dazu passenden Zinken, dessen Einsatz harmonische  Kommunikation, Händchenhalten,“...und-wenn-sie-nicht-gestorben-sind“ verspricht.

Aber wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, genau diesen Zinken zu verwenden, vorausgesetzt, man ist dazu bereit? Es sind der Faktoren unzählige, die diese Wahrscheinlichkeit beeinflussen. Nehmen wir zum Beispiel die Geschwindigkeit, mit welcher der vermeintlich passende Zinken aktiviert wird. Je schneller und unüberlegter die Antwort kommt, desto wahrscheinlicher ist es die falsche. Außerdem, haben Sie schon versucht, die Zinken zweier Kämme aufeinander zu legen? Das ist ein ziemlich labiles Gleichgewicht, selbst wenn die Kämme festgehalten werden. Um wie viel schwieriger ist es, wenn der Passungsversuch schnell und heftig unternommen wird. Selbst wenn der passende Zinken an der richtigen Stelle zu liegen käme -- durch den heftigen Stoß schießt er am Ziel vorbei, übers Ziel hinaus, und erreicht letztlich gar nichts, wo er doch mit ein wenig Einfühlungsvermögen Harmonie, Händchenhal... aber das hatten wir schon.

Nun möchte man meinen, man müsse es nur lang genug versuchen, irgendwann klappe es dann schon mit der Passung. Leider ist der Mensch ein Gewohnheitstier. Er verwendet wiederholt die Zinken, die ihm in der Vergangenheit den meisten Erfolg gebracht haben. Je öfter dieser Erfolg sich eingestellt hatte, umso undifferenzierter, ohne Vergleich der Situationen, wird der Zinken eingesetzt. Und umso routinierter, unüberlegter erfolgt dieser Einsatz. Und heftiger. Man nennt das habituieren. Und wenn damit eine positive Rückmeldung gemeint ist, dann könnte es besser nicht sein. Handelt es sich dabei jedoch um Vorwürfe und um strafende Aussagen, so müssen diese von mal zu mal intensiviert werden, um den scheinbar gleichen Erfolg zu erreichen. Und sie vergiften die Beziehung.

Da gab es mal das Märchen, in dem der Königstochter ein vergifteter Kamm ins Haar gesteckt wurde, der sie scheintot werden ließ, bis ein Prinz erschien und den Kamm wieder entfernte.

Es war gar nicht der vergiftete Kamm. Es war der einmal zu oft verwendete, falsche Zinken...

(Dieser Artikel ist in einer gekürzten Fassung im Jahr 2006 im Trierer Lokalmagazin D-Marché erschienen)

CK